Ask the Flight Attendant ✈ Der Dienstplan

Ich reise gerne, oft und viel, nutze jede Gelegenheit dafür und manchmal geht es mehr um den Weg, als das Ziel: Fliegen! Ich liebe es zu fliegen und das verbindet uns alle hier. Und wenn ich nicht gerade Urlaub mache, fliege ich auch. Denn diese Leidenschaft ist mein Beruf und ich kenne dadurch auch den Blick von der anderen Seite. Diese Sicht möchte ich an dieser Stelle gerne mit Euch teilen. Heutiges Thema: Buch mit sieben Siegeln- der Dienstplan

Einmal im Monat steigt bei uns die Spannung, der Dienstplan kommt. Wohin geht die nächste Reise? Habe ich am gewünschten Wochenende frei? Mit wem werde ich unterwegs sein? Wie wird das Wetter in Kapstadt? Und wo zur Hölle sind KWI und RAK?

Alles steht nun auch nicht auf dem Plan, aber man kann diesem trotz diverser Kürzel und Codes viel relevantes entnehmen. Unsere Branche liebt solche Abkürzungen, es bleibt bei weitem nicht bei den 3-Letter-Codes der Flughäfen. Viele Fluggesellschaften verpassen sogar Ihren Mitarbeitern solche 3-Letter-Codes. Damit meldet man sich beispielsweise bei dem „Crew Contact“ und die Kollegen können dort schnell relevante Daten abrufen. Es handelt sich meist 24-Stunden Hotlines, denn man kann auch nachts erkranken oder irgendwo stranden.

Unsere Nicole würde wahrscheinlich NIL, LAU oder LSB bekommen. Sollte der Mitarbeitercode schon von einem anderen Kollegen belegt sein, würde wohl NCG oder zur Not auch XNL in Frage kommen. Bei kleineren Gesellschaften kennen sich Planer und Crews nach einer Weile schon an der Stimme, bei großen Airlines geht es eher anonym zu.

Haste schon requested?

Die Planung der Crews ist komplex und variiert nach Größe der Gesellschaft, Flugprogramm, Flotte, Maschinentypen, Lizenzen und Teilzeitmodellen. Als erstes stehen das zu fliegende Programm und die Rotationen der Maschinen fest, dann gehen die Einsatzplaner ans Werk. Viele Airlines bieten ihren Piloten und Flugbegleiter die Möglichkeit an, im Vorfeld Wünsche zu platzieren. Diese können ganz vielfältig sein und reichen von dem Request nach freien Tagen, gewissen Flügen oder auch einem bestimmten Kollegen.

Wichtiger Punkt ist die Firmenzugehörigkeit- wer am längsten dabei ist, hat die besten Karten. Die Seniorität spielt dann nicht nur für den Wunsch des Zielortes im kommenden Monat eine Rolle, sondern auch für die Vergabe von Urlaub oder gar den Stationierungsort.

Damit aber auch die jüngeren Kollegen Chancen haben, gibt es Möglichkeiten die Pläne etwas fairer zu gestalten. Formen wie Punktesysteme oder der Einsatz eines Jokers sollen für mehr Gerechtigkeit sorgen. Wer erst letzten Monat auf den Malediven war, soll nicht gleich wieder dort hin „dürfen“. Vor einigen Jahren hat man seine Vorlieben noch handschriftlich den Planern mitgeteilt, heute geht es meist elektronisch. Dabei kann man sich in etwa auch die Chancen auf Erfolg ausmalen.

Muss der laufende Plan jedoch geändert werden, kann es sein dass alles zusammenbricht. Solche Änderungen sind nicht gerade selten. Ein unerwartet langer Flug aus dem Bereitschaftsdienst, ein technisches Problem mit der Maschine oder eine Verspätung können einem die aktuelle Tour oder gar den restlichen Monat verhageln. Manche Firmen gestalten daher Dienstpläne nur für zwei Wochen, allerdings haben die Behörden in den letzten Jahren Bedingungen für mehr Stabilität aufgelegt.

Foto: Alitalia

SVO oder SFO?

Die 3-Letter-Codes kennt man als Airliner. Oder? Je nach Größe der Gesellschaft kommen regelmäßig neue Ziele hinzu und diese können manchem auch durchaus unbekannt sein. Oder man bringt etwas durcheinander. Es soll schon vorgekommen sein, dass Kollegen den Koffer für San Francisco vorbereitet und dann in Moskau gefroren haben. Oder man hat sich auf die authentische Pizzeria in Rom gefreut, musste sich aber mit dem Italiener in Münster-Osnabrück zufrieden geben (FCO vers. FMO).

Das ist aber eher die Ausnahme. Es gibt zahlreiche andere Abkürzungen, die einem mehr Kopfzerbrechen bereiten können. SB, GT, SBY, OFG, DH, FB, TX, FA, CA…und einer ganzen Reihe an Zahlenwerten. Wann geht meine Ruhezeit los, bin ich legal für den Flug, darf das so geplant werden und ist das UTC oder lokale Zeit?

Inzwischen gibt es einige Apps die uns eine gute Hilfestellung geben können. Insbesondere bei der Berechnung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit ist das wichtig. Diese hängt von mehreren Faktoren ab und muss zwingend eingehalten werden. Wann war Dienstbeginn? Wieviele Legs sind geplant? Gab es Ruhemöglichkeiten an Bord? Wie lange ist die Fahrt ins Hotel?

Tour, Kette, Umlauf

Einige Airlines „stricken“ bewusst nur Tagesdienste für ihre Crews. Das spart Spesen, Transport- und Übernachtungskosten. Das typische Modell der Lowcoster erfordert allerdings ein Netz mit mehreren Stationen, um auch Verbindungen am frühen Morgen oder den „Lumpensammler“ am Abend anbieten zu können. Generell haben wir zahlreiche Ausdrücke unsere Pläne betreffend. Das Wording ist zudem häufig Airlinespezifisch. Ich will noch requesten, danach müssen wir proceeden, morgen haben wir nen Stehtag, übermorgen ne Dreiecks-Kanare, ist eine 5-Tages-Kette und ich bin auch noch Shuttler.

Ja und die, die irgendwo auf ihrer Tour, Kette oder Umlauf übernachten müssen, sind dann auch mal fünf oder sechs Tage am Stück unterwegs. Manche sind sogar eine volle Woche vor Ort, weil die Destination nur alle sieben Tage bedient wird. In dem Fall könnte es sich sogar lohnen, das Flugzeug vor Ort zu parken und der Crew lediglich die minimal vorgeschriebene Ruhezeit zu gewähren. Die Maschine verdient dann in der Zeit kein Geld, dafür sind die Kosten für Unterbringung und Spesen nur noch ein Bruchteil. Außerdem können die Besatzungen schneller für andere Dienste eingeplant werden.

Je nach Gesellschaft kommen bei der Planung die wildesten Zusammenstellungen heraus. Beispiel: eine kleinere Charterairline hat nur ein Flugzeug in Leipzig, aber keine Maschine in Stuttgart stationiert. Die Airline will aber von beiden Flughäfen nach Hurghada fliegen. Also wendet man das „W-Pattern“ an und fliegt LEJ-HRG-STR-HRG-LEJ. Vorteil: Beide Airports werden an einem Tag mit Hurghada verbunden und die Maschine ist am Abend wieder an ihrem ursprünglichen Stationierungsort. In Leipzig gibt es zudem kein Nachtflugverbot, es kann also auch nachts gestartet und gelandet werden.

Nachteil: Eine Crew darf und kann dies nicht an einem Tag leisten. Also steigt diese nach den ersten beiden Flügen in Stuttgart aus und geht ins Hotel, dort übernimmt eine neue Besatzung. Nach dem Muster können mehrere Tage zusammengestellt sein. Manchmal muss ein Crewmitglied oder die komplette Besatzung noch zu einer anderen Basis „proceeden“ (oder deadhead fliegen). Dies geschieht je nach Entfernung und Arbeitgeber mit dem Taxi, Mietwagen, Bahn oder per Linienflug.

Bei Netzwerkairlines gibt es tendenziell mehr Hotelübernachtungen, da dort meist frühe Abflüge von den Außenstationen angeboten werden. KLM fliegt zum Beispiel jeden morgen gegen 6:30 Uhr von Athen nach Amsterdam, hat aber keine Basis in Griechenland. Somit müssen dort täglich mindestens zwei Crews im Hotel untergebracht werden. Es gibt aber auch da Möglichkeiten für die Carrier bei den Hotelkosten zu sparen. LOT hat dies u. a. mit Mailand gemacht. Der letzte Flug des Tages verlässt abends Warschau in Richtung Mailand. Dort geht die Crew nach der Ankunft gegen Mitternacht ins Hotel und übernimmt nach kurzer Nachtruhe die erste Verbindung MXP-WAW am Morgen. Der Hotelaufenthalt ist zu kurz und gilt nicht als Ruhezeit, nach der Landung in Warschau hat die Crew also etwa 12 Stunden Dienst hinter sich und kann dann nicht weiter eingesetzt werden.

Welches ist die beliebteste Destination?

Pauschal kann man das nicht sagen, es gibt aber Trends. Da jeder Mensch anders tickt, kommt es auf einige zusätzliche Faktoren an. Was bringt einem Bangkok, wenn man nur 24 Stunden vor Ort hat? Will ich überhaupt nach Singapur wenn ich dafür eine ganze Woche unterwegs und weg von meiner Familie bin? Muss es Los Angeles sein, wo ich weiß dass ich die Zeitverschiebung dort nicht verkrafte? Was will ich nach Rio obwohl das Hotel dort weit ab vom Schuss ist?

Ich persönlich habe durch die Fliegerei die Vielfalt Europas kennen und schätzen gelernt, auch wenn man manchmal nicht gerade viel Zeit zum Erkunden hat. Dann kommt man eben wieder oder hat Anregungen für einen Urlaub gesammelt. Jetlag hält sich zudem eher in Grenzen, selbst wenn man manchmal ganz schön früh aufstehen muss. Viele Kollegen haben mancherorts Freunde gefunden oder können einfach nicht genug von einer Stadt bekommen und fliegen immer wieder gerne dort hin.

Wie so vieles kann sich auch das aber schnell ändern. Nicht unbedingt weil ein Virus die Flieger-Welt lahmlegt, sondern weil eine Destination über Nacht eingestellt oder von einer anderen Homebase bedient wird. Oder der Flugzeugtyp wechselt und man ist auf die neue Maschine nicht lizensiert.

Spannend sind auch die Dienstpläne von anderen Airlines, wie die der US- oder Nahost-Carrier. Das Streckennetz ist oft gigantisch, die Regelungen und Arbeitsbedingungen allerdings nicht mit denen hierzulande vergleichbar. Positiv wie negativ. Aber auch da kommt es auf persönliche Präferenzen an.

Ask the Flight Attendant ✈ Frankfurtflyer Kommentar

Die Planung und Gestaltung der Dienstpläne ist so komplex, dass wir oft selbst nicht die Hintergründe und Zusammenhänge nachvollziehen können. Jede Airline muss den eigenen idealen Weg finden, das fliegende Personal effizient einzusetzen und die wirtschaftlichen Vorgaben einzuhalten. So wie das Flugprogramm ändern sich auch andere Parameter ständig, die Planer müssen diese immer im Auge behalten. Eine kleine Anpassung oder neue Vorgabe kann ganz schnell für Personalmangel sorgen. Oder über Nacht Überkapazitäten bringen.

Dienstpläne von Airline-Crews sind eine spannende Sache. Man muss aber immer genau hinsehen. 15 freie Tage in einem Monat können bei einem Flugbegleiter in Vollzeit durchaus vorkommen. Dazu gehören allerdings auch schlaflose Nächte irgendwo über dem Atlantik oder Weihnachten an einem Ort, an dem man nicht sein möchte.

10 Kommentare

  1. Danke. Nett wie immer.
    Sollte man so etwas nicht einmal im Feuilleton einer überegionalen Tageszeitung (Welt, Süddeutsche, FAZ …) veröffentlichen? Oder halt in deren Reiseteil? Es gibt bestimmt noch mehr Interessenten über den vermutlich nicht allzu großen Leserkreis dieses Blogs hinaus.
    Gerade die Handgepäckthematik hätte einen gewissen Unterhaltungswert …

  2. Betr. Ablürzungen: Da gibt es sehr interessante Kombinationen bei den Destinationen , welche nicht unbedingt logisch erscheinen. So ist DUB nicht DUBAI, oder wie kommt man bei Malaga auf AGP?
    So ist halt RIO auch nicht BIO !

    • Die logischen Codes (MAL, MGA, etc) waren alle vergeben. Aus Malaga wurden dann die Buchstaben AG + eines willkürlich gewählten Buchstabens zu AGP zusammengesetzt. Manche sagen das P steht für Picasso was aber nicht der Fall sein soll…

    • Nicht zu vergessen die Codes der Städte mit mehreren Flughäfen- BER gab es ja schon vor der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens. Andere Beispiele: TYO, NYC, SAO, CHI…

  3. Frage: Bis zum Einsatz in der First, was braucht es da an Zusatzausbildung ( Weinkunďe, Service). Alter, Erfahrung ?
    Ist das überhaupt erstrebenswert, denn die Kundschaft ist doch sicherlich stellenweise doch sehr speziell ?

    • In die First Class ging es früher oft nach Seniorität, inzwischen haben die meisten Airlines spezielle Trainings:

      Die Kunden sind wirklich meist pflegeleicht. Wenn einer von 8 oder 12 speziell ist, fällt das nunmal mehr auf als wenn es einer von 180 ist.

  4. Hallo Robert,
    erstmal vielen Dank für die insights in deinen Arbeitsbereich. Ich lese sie sehr gerne. 🙂 Wie schaut es aber generell gerade bei euch z.Z. aus? Wenn es wie gerade einen deutlichen Mangel an Flugverbindungen gibt, wer erhält dann den „Zuschlag“? Oder wird es so aufgeteilt, dass jeder Flugbegleiter wenigstens 1-2x pro Woche fliegen darf? Sind die anderen KollegInnen die übrige Zeit in Kurzarbeit?
    Wofür steht im Dienstplan die Abkürzung „SB“? Habt ihr an den Tagen ohne Flugverbindungseintragungen (leere Zellen) oder Bereitschaftsdienst?

    Vielen Dank nochmals für die interessanten Einblicke!
    Guten Rutsch in ein besseres Jahr 2021!
    VG
    Sebastian

    • Hallo Sebastian, freut mich!

      1-2x Woche fliegen kann man bei uns eigentlich gar nicht sagen. Bei klassischen Airlines gibt es häufig Touren, die mehrere Tage dauern, daher muss man da etwa 3-4x im Monat los.

      Aktuell wird man nach anderen Faktoren eingesetzt. Ziel ist es das Kurzarbeitergeld so gut es geht auszuschöpfen. Weiteres Kriterium ist ein drohender Lizenzverlust. Um die Lizenz aktiv zu halten muss man fliegen oder in eine Schulung- diese ist dann natürlich mit Zusatzkosten verbunden.

      SB ist standby. Eine Form von Bereitschaft.
      Sonst sind die Tage leer oder als fixierter freier Tag markiert- an diesen darf auf keinen Fall geflogen werden. In die „leeren freien Tage“ kann zB durch eine Änderung ein Flugereignis stattfinden.

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.