Ask the Flight Attendant ✈ Heute: Boarding

Ich reise gerne, oft und viel. Ich nutze jede Gelegenheit dafür und manchmal geht es mehr um den Weg als das Ziel: Fliegen! Ich liebe es zu fliegen und das verbindet uns alle hier. Und wenn ich nicht gerade Urlaub mache, fliege ich auch. Denn diese Leidenschaft ist mein Beruf und ich kenne dadurch auch den Blick von der anderen Seite. Diese Sicht möchte ich an dieser Stelle gerne mit Euch teilen. Heutiges Thema: Der Einsteigevorgang.

Alle Airlines haben sich schon die Köpfe darüber zerbrochen, wie man die Massen am schnellsten in die Röhre bekommt. Ich habe schon von Mathematikern gehört, die engagiert wurden, um Konzepte dafür auszuarbeiten. Zeit ist Geld!

Es geht schon bei der Bordkarte los und der Frage warum da zwei Zeiten draufstehen? Und wenn es nur eine Zeitangabe ist, warum ist ist die schon so früh? Ich bin einmal mit Qatar Airways von Doha ins gut eine Stunde Flug entfernte Sharjah geflogen. Das Boarding startete eine geschlagene Stunde vor Abflug und das für ein Schmalrumpfflugzeug! Ist das realistisch? Manchmal liest man auch, dass 20 Minuten vor Abflug das Gate schließt. Alles nur Panikmache?

Aus Sicht der Kollegen am Gate kann ich nur sagen, dass sich bei der Abfertigung alles um solche Zeiten dreht. Es ist minutiös festgelegt, wann die erste Ansage gemacht wird, wann der erste Passagier an Bord sein muss und wann man schon mal prophylaktisch die Lademeister bittet Koffer von knappen Umsteigern auszuladen. Die Koffer von Transitpassagieren schaffen es eigentlich immer vor den Gästen selbst.

Dieser Zeitplan schwankt je nach Flughafen, Maschinentyp oder Parkposition des Flugzeugs. Die Crew an Bord kann noch entscheiden etwas früher loszulegen, sofern es zeitlich noch möglich ist, oder bewusst später anzufangen, weil einen die Flugsicherung ohnehin noch am Boden halten würde…

Und wenn es dann losgeht, kommen sie! Gefühlt alle auf einmal. Amerikaner boarden strikt nach Zonen und irgendwie halten sich alle daran. Bei vueling habe ich einmal gesehen, dass geschätzt 150 Menschen in einer einzigen Schlange kultiviert am Gate anstehen und das obwohl das Flugzeug noch gar nicht zu sehen war. Einmal habe ich einer ernstgemeinten Diskussion zweier Herren vor dem Einsteigebeginn eines Lufthansa-Fluges gelauscht. Es ging darum wer den höheren Status hat und sich als erstes am Drehkzreuz positionieren darf…

Die gute alte Air Berlin hatte Nummern auf das Ticket gedruckt, die nach und nach aufgerufen wurden. Meine Erfahrungen über den Erfolg davon waren gemischt. Eurowings und Lufthansa führten dieses Jahr zum X-ten Mal Tests durch und versuchen demnächst Fensterplätze zuerst und Gangplätze zuletzt einsteigen zu lassen. Doch was ist mit unzertrennlichen Paaren? Und lässt sich der Passagier heutzutage so etwas vorschreiben? Es gibt doch immer welche, die sich unbeeindruckt davon durchmogeln!

Bei Vorfeldposition des Flugzeugs mit Busboarding ist die Variante mit Fensterplätzen zuerst sowieso hinfällig. Man könnte meinen es ginge bei einer Außenposition sowieso ganz schnell, wenn alle auf einmal aus dem Bus steigen und auch die hintere Tür bereit steht. Ich kann nur jedesmal beobachten, dass es genauso lange dauert, denn zu viele Passagiere schätzen die Lage der eigenen Sitzreihe im Flugzeug nicht richtig ein und wählen die falsche Treppe. Oben an Bord gibts dann Mitten im Flugzeug einen Doppelknoten von Menschen im Gang.

In Göteborg gibt es die Möglichkeit bei einer Fingerposition über eine Treppe auf das Vorfeld zu gehen und über eine weitere Treppe wieder hinten im Flugzeug einzusteigen. Ein Hinweisschild bittet alle Gäste ab einer gewissen Reihe genau das zu tun. Funktioniert besser! Bei dem Taxiflieger HLX gab es sogar mal freie Sitzplatzwahl. Ich meine mich zu erinnern, dass es schon sehr schnell ging, aber die Akzeptanz bei den Passagieren war niedrig. Lange hielt das Konzept (wie auch die Marke…) ohnehin nicht.

Kulturelle Unterschiede gibt es übrigens auch, am schnellsten sind mit Abstand die Japaner! Ähnlich wie bei der Tokioter U-Bahn drängelt keiner und man nimmt Rücksicht auf seinen Mitreisenden. Ein Kollege stoppte mal die Zeit des Einsteigevorgangs für einen Flug mit Ziel Japan. Nicht mal neun Minuten, nachdem der erste Gast das Flugzeug betreten hat, kam schon das (für mich immer erlösende) „Boarding completed“!

Ask the Flight Attendant | Frankfurtflyer Kommentar

Warum funktioniert effizientes Boarding nicht? Ich stelle mir oft die Frage wie man das ewige Chaos beenden könnte und grübele darüber ob und wie ich das beeinflussen kann. Ist es zu viel Handgepäck, sind es Familien mit vielen Kindern oder chronischer Platzmangel?

Größtes Hindernis ist aber der Passagier selbst und ich schließe mich nicht aus. Kann ich nämlich ziemlich gut:
Vordrängeln, motzen dass es wieder ewig dauert, Koffer reinstopfen, hinsetzen, kann los gehen. Nach mir die Sintflut!

Was wolltet Ihr einen Flugbegleiter schon immer mal fragen? Stellt uns die Fragen in den Kommentaren!

 

Gesammelte Werke:

17 Kommentare

  1. Ich wundere mich immer wie gut das in USA funktioniert. Denke der Grund ist ganz einfach: die Leute werden einfach zurück geschickt wenn sie nicht dran sind. Wenn man das hier mal einige Wochen durchzieht funktioniert das auch. 100%ig. Das Personal am Gate stört es nicht wenn kreuz und quer geboardet wird. Habe schon oft genug den Satz gehört: „was soll ich mich da zanken, sollen die an Bord klären“

    • Ich bin auch überzeugt davon dass es nur möglich ist wenn man es konsequent durchzieht. Aber ich denke schon dass es das Personal am Gate auch stört wenn es kreuz und quer läuft. Aber wenn jeder zweite Diskussionen deswegen anfängt, gibt man auf und will einfach nur alle einsteigen lassen.

    • Es hilft nur eines: ALLE, die noch nicht an der Reihe sind, konsequent zurückschicken. Auch die „gefrackten Pinguine“, welche meinen, dank ihres Business-Anzuges etwas besseres zu sein ! Aber eben: Nur keine Diskussionen am Gate

  2. Ja,ja die lieben Pauschalurlauber. Stehen schon 1 Stunde am Check-In ganz vorne und denken das Sie dann auch als erste einsteigen dürfen oder Panik haben das der Flieger ohne Sie startet. In den USA ist es wirklich vorbildlich gelöst mit den Gruppen 1-5. In Madrid wird auch nach Gruppen geboardet, klappt auch sehr gut.
    Ist es so schwer ein einheitliches System für alle einzuführen ? Achtet überhaupt der Touri auf die Durchsagen wer zuerst usw. boarden darf. Ich glaube die sind so aufgeregt, die klatschen ja auch noch bei geglückter Landung.

  3. Ich finde die Gruppen bei British Airways sogar noch konsequenter als in den USA. Und das funktioniert. In den USA wird zwar zurückgeschickt, aber oft muss man sich am Gate erstmal durchkämpfen, wenn man denn in der richtigen Gruppe ist und noch nicht ewig dort gestanden hat.

  4. Die Mythbusters haben irgendwann mal Boarding getestet. Interessanterweise war das Chaotische Boarding am ende am schnellsten.

    Was in meinen Augen halt immer ewig dauert ist das Gepäck. Das wird halt immer größer und man braucht immer länger um es zu verstauen. Hier fand ich den Ansatz von Air Europe, den ich letzte Woche in Spanien erlebt habe schon ganz nett: Rucksäcke und Taschen bekamen ein Zettel: Gepäck unter den Sitz. Nur die großen Trollys durften oben hin. Ob sich am ende die Passagiere alle dran gehalten haben, vermag ich aber nicht zu sagen.

    • Rosa und weisse Tags (oder waren es orange?) habe ich auch schon im Rahmen eines Testlaufs erlebt, aber wie so oft: wenn sich nicht alle daran halten bringt es kaum etwas. Konsequenz hätte uns mehr gebracht. Handgepäck ist an sich ohnehin ein Thema für sich 😉

  5. In den USA fand ich es (vor zugegebenermaßen schon 10 Jahren) überhaupt nicht effizient. Die haben zwar strikt nach Gruppen geboardet und „Frühchen“ zurück geschickt, aber das Problem war das genaue Gegenteil: Sehr viele Leute, teilweise ganze Reisegruppen, fanden es toll, so lange zu warten, bis sie namentlich aufgerufen wurden. Und das Personal von Delta hat leider auch wirklich jeden namentlich aufgerufen, bevor es mit der nächsten Gruppe weiter ging. So hat das Boarding am Ende rund eine Stunde gedauert.

    Ich bin grundsätzlich dafür, nach Gruppen einsteigen zu lassen und vermute auch, dass die „Fenster zuerst“-Regelung besser ist als von hinten nach vorne. Und dann eben konsequent durchsetzen, idealerweise über die Software, dass die späteren Gruppen direkt am Lesegerät abgewiesen werden.
    Wenn dann Paare zusammen rein wollen, müssen sie auf die spätere Gruppe warten, ist ja kein Problem. Wenn dann der Mittelplatz dran ist, können ja trotzdem beide einsteigen, ohne dass schon jemand im Weg sitzt und nochmal aufstehen muss.
    Abgesehen davon natürlich: Gruppe schließen, wenn keiner mehr ansteht und mit der nächsten Gruppe weiter machen. Wer nicht aufpasst, muss sich dann eben doch durchzwängen, aber zumindest werden das dann hoffentlich nur noch Einzelfälle sein.

    Übrigens kann auch jeder selbst einen kleinen Beitrag leisten: Früher ohne Status habe ich immer den Gangplatz genommen und bin erst eingestiegen, als sich die Schlange dem Ende näherte. Jetzt, mit *A Gold Status komme ich direkt zu Beginn rein und wähle daher lieber einen Fensterplatz.

  6. > Was wolltet Ihr einen Flugbegleiter schon immer mal fragen?
    > Stellt uns die Fragen in den Kommentaren!
    Wie viel positives Feedback und Wertschätzung erhalten FlugbegleiterInnen? Und die Folgefrage, falls eher negativ: Wie geht Ihr damit am besten um? Wird man darauf im Training vorbereitet?

    • Ich kann für mich sagen dass es so ist wie überall in der Dienstleistung auch: es gibt solche und solche Passagiere/Kunden.

      In der Grundschulung gibt es schon einen Teil der sich mit Kommunikation und Konfliktlösung beschäftigt.
      Aber am besten komme ich damit zurecht, indem ich mir denke: da ist jetzt einer der mir das Leben schwer macht und über 200 andere, die unauffällig oder richtig nett sind. Außerdem dauert eine unangenehme Begegnung maximal ein paar Stunden und man sieht sich so schnell nicht wieder 😉

  7. Handgepaek verstauen ist IMHO ein grosser Zeitdieb .
    Von ezy lernen 1 EIN Gepaeckstueck mit maximalen Ausmassen , dass man ohne fremde Hilfe (das schliesst die von FA’s ein) in die Gepaeckablage bekommt . Beim Einstieg eine heftige Gebuehr fuer weiteres Gepaeck , wie „das ist ja NUR meine Handtasche , I pad Tasche , mein Gucci , Prada , LV Einkauf vom Flughafen usw .
    Man koennte die crew mit 30 bis zu 50% an den Einnahmen beteiligen .
    Eine Win Win Situation.

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