Die Bahn | Eine Hassliebe

Foto: DB

Die Bahn. Man liebt sie oder man hasst sie. Zumindest habe ich den Eindruck dass es für die meisten wenig dazwischen gibt. Ich selbst fahre viel Bahn und muss mich nicht selten rechtfertigen, dass ich das eigentlich ganz gerne tue. Ab und zu trifft mich dann eine Unregelmäßigkeit und meine Zuneigung wechselt dann kurzzeitig aber schnell in eine ablehnende Haltung.

Dann geistern mir alle Nachteile vom Bahnfahren durch den Kopf während ich mich um Alternativen oder einen anderen Anschluss umsehen muss. Dass man dafür auch noch viel Geld bezahlt hat, der Wagen mit der Reservierung heute ausgelassen wurde, die Toilette kaputt ist und der Sitznachbar nervt, kommt zu den Umständen hinzu.

Trotzdem habe ich mich schnell wieder beruhigt und steige ein paar Tage später wieder ein. Ich freue mich schliesslich darauf während der Fahrt produktiv sein zu können, eine Zeitschrift zu lesen oder einfach mal die Augen zu schließen. Auf der Autobahn nebenan staut es sich gerade etwas und wir flitzen gemütlich und schnell zwischen zwei Metropolen.

Der schlechte Ruf

Nicht wenige Menschen verbinden die deutsche Bahn in erster Linie mit Verspätungen. Dadurch versäumt man womöglich eine Anschlussverbindung und darf im ungünstigsten Fall irgendwo im Nirgendwo warten. Einer Verspätung ist man im ICE sitzend auch wirklich meist vollkommen ausgeliefert. Man kann nicht so einfach umkehren oder eine andere Strecke fahren. Die Informationen rund um eine Verspätung lassen nicht selten zu wünschen übrig, was in der Situation nicht gerade hilfreich ist.

Foto: DB Bahn

Doch wie oft kommt das vor? Die Bahn beziffert die Pünktlichkeitsquote bei über 90%, berücksichtigt in diesen Wert allerdings auch den Nahverkehr und genehmigt sich einen Spielraum von 6 Minuten. Im Fernverkehr erreichen etwa 82% der Züge den Zielbahnhof pünktlich. Hier ist zwar noch etwas Luft nach oben, aber die gute Quote überrascht manche vielleicht.

Foto: Trenitalia

Im Bahn-Vorzeigeland Japan liegt die durchschnittliche Verspätung im Sekundenbereich, in Italien servieren manche Unternehmen ihren Fahrgästen kleine Snacks und kostenfreie Getränke während der Fahrt. Die Sitze der ersten Klasse haben auch wirklich etwas mit einer gehobenen Ausstattung zu tun und gleichen den Thronen der Luxusklasse im Flugzeug.

Auf dem Weg nach oben

Seit Jahren hört man von der Bahn in Deutschland von ambitionierten Plänen, der Konzern will mehr investieren und sich bemühen die Leistungen für Fahrgäste zu verbessern. Stabiles Internet, kostenfreie Reservierungen, eine höhere Taktung und mehr Flexibilität. Auf die letzten Jahre betrachtet hat sich auch wirklich einiges getan, doch die Mühlen mahlen langsam.

Tatsächlich werden auch modernere Züge eingesetzt und die Bahn modernisiert die Flotte kontinuierlich. Zwischen einzelnen Städten ist der ICE auch wirklich unschlagbar schnell geworden, selbst das Flugzeug kann mancherorts nicht mehr mithalten. Erstattungsanträge nach Verspätungen können inzwischen online eingereicht werden und auch sonst sind auf den elektronischen Buchungskanälen einige Funktionen hinzugekommen.

Aber da geht noch mehr! Erst bei meiner letzten Verspätung im März zeigte mir die App einen anderen Wert als die digitale Anzeige am Bahnsteig, die Ursache der Verspätung deckte sich auch nicht mit dem was im Zug durchgesagt wurde. Nach der Fahrt reichte ich den Antrag auf Entschädigung online ein, bekam aber darauf eine Antwort per Brief- im Jahr 2022 sollte ein Gutschein oder die Rückerstattung innerhalb von Sekunden elektronisch beim Kunden eintreffen.

Auch sonst zog der Vorfall einen ganzen Rattenschwanz an Ärgernissen mit sich, nachdem ich gleich zwei Anschlüsse an nur einem Tag verpasst habe. Die Situationen waren unterschiedlich- und beide vermeidbar. Im ersten Fall erhielten die Zugbegleiter scheinbar eine falsche Information bzgl. der Weiterfahrt und beim späteren Umstieg wechselte das Gleis des Anschlusszuges so kurzfristig, dass es keiner der knappen Umsteigern mehr mitbekommen hatte.

Foto: DB Bahn

Das negative Erlebnis an solchen Tagen sitzt dann leider noch tiefer als die zehn pünktlichen und positiven Erfahrungen zuvor. Doch in der Vergangenheit gab es auch immer wieder Verbesserungen, die die Zufriedenheit der Kunden steigern. In einem weiteren Schritt wird bald das Bonusprogramm der Bahn verändert, man will bestehende Kunden mehr belohnen und neue Fahrer hinzugewinnen.

„bahn.comfort“ verschwindet, Bahn führt drei Statuslevel ein

Laut den Informationen der Bahn geschieht dieser Schritt auf Kundenwunsch, die Unterscheidung der Kundengruppen soll künftig deutlicher werden.

Wir möchten dem Wunsch unserer Kund:innen nach einem exklusiveren und breiteren Portfolio entsprechen. Um dies zu ermöglichen, ist eine Differenzierung unabdingbar. Außerdem ermöglichen uns die drei Statuslevel, die Statusvorteile einer größeren Zielgruppe zukommen zu lassen. Zusätzlich handelt es sich um ein gelerntes Modell, mit dem wir das Programm näher an ähnliche Programme heranführen. Auch in anderen Loyalitätsprogrammen in der Reisebranche ist die Stufigkeit schon lange gelebte Praxis, weshalb eine Angleichung ein konsequenter Schritt ist. Weiterhin ermöglicht die Stufigkeit, mehr Kund:innen in den Status zu integrieren und sie so für ihre Treue und Umsatzbereitschaft zu entlohnen.

Im zukünftigen Konzept wird es also drei Statuslevel geben, die Schwellen werden bei 1.500, 2.500 und 6.000 Statuspunkten liegen. Wie bei einem Vielfliegerprogramm werden alle Vorteile des jeweils niedrigeren Level entweder in gleicher oder erweiterter Form gewährt. Die bisherigen Leistungen wie der Zugang zur DB Lounge, ein eigener Sitzplatzbereich und die bevorzugte Betreuung sollen ebenfalls erweitert werden.

Die Bahn | Frankfurtflyer Kommentar

Irgendwie hat die Bahn so einiges mit der Lufthansa gemeinsam. Man findet zahlreiche Konkurrenten die es besser machen und Stellen wo es richtig gut funktioniert. Auf der anderen Seite sind die gebotenen Leistungen aber auch gar nicht so schlecht. Beim Service und den Benefits ist eben noch ein gewisser Spielraum vorhanden.

Bei den Verbesserungen der letzten Jahre handelt es sich überwiegend um Kleinigkeiten, deren Umsetzung dauerte auch gerne etwas länger. Mitte Juni kommt das neue Treueprogramm und bietet einige Chancen, dieser Schritt hat Potenzial und könnte weitere Vielflieger auf die Schiene locken.

Mehrere innerdeutsche Flugverbindungen wurden eingestellt, weil das Flugzeug nicht mehr mit dem Zug mithalten kann. Doch den Vorzeigerouten wie Frankfurt-Köln oder Nürnberg-Berlin stehen noch zahlreiche Negativbeispiele gegenüber. Es gibt noch viel zu tun.

12 Kommentare

  1. Das mit der Verspätung in Japan ist so nicht ganz richtig.

    Die durchschnittliche Verspätung der Normalspurzüge (also die Neubaustrecken, in Deutschland als Shinkansen bekannt, wobei das Wort die Strecke und nicht die Züge bezeichnet) beträgt derzeit knapp unter einer Minute mit einer Tendenz, jährlich um 6 Sekunden zu steigen. Das ist gar nicht so wenig, weil die Überholvorgänge mit 15 Sekunden Toleranz berechnet werden. Müssen sie, wiel sonst Kodama und Hikari gegenüber Nozomi zu langsam würden (gilt jetzt für die Rennstrecke zwischen Tokio und Shin-Osaka).

    Aber das sind auch nur 10% des Netzes. Daneben gibt es das Kapspurnetz, das nach wie vor die Hauptlast im Personen- und 100% der Last im Güterverkehr trägt.
    Und da sieht es schon deutlich schlechter aus. Einmal abgesehen davon, dass in den Personenzügen mittlerweile eine Unhöflichkeit Einzug eingehalten hat, die wir hierzulande überhaupt nicht kennen (Frauen mit Kind auf dem Arm oder eindeutig gehbehinderte Menschen bleiben gnadenlos stehen, die sitzenden Fahrgäste schauen rein zufällig interessiert weg), kommen da schon einmal erhebliche Verspätungen zusammen.

    Selbst erlebt habe ich eine etwa 15minütige Verspätung des Haruka zwischen KIX und Kyoto, die sich über den ganzen Tag zog. Auf der Fahrt von Fukuoka nach Nagasaki mussten wir in Isahaya umsteigen, weil sich schon 40 Minuten Verspätung angesammelt hatten und wenigstens die Rückfahrt wieder pünktlich sein sollte. Wie die Fahrgäste für die Rückfahrt von Nagasaki nach Isahaya kamen, weiß ich nicht …

    Übrigens fahre ich auch sehr gern Bahn, allerdings nach Möglichkeit nur Strecken, auf denne ich nicht umsteigen muss. Beim Umsteigen hat es manchmal schon auf dem ersten Teilstück mit nur wenigen Haltestellen gehapert.

    • Interessanter Kommentar. Klar, man kann immer die Nadel im Heuhaufen suchen, auch in Japan geht mal was schief (bitte aber auch zu beachten, dass Japan in Vergleich zu DE viel mehr Naturkatastrophen hat welche natürlich zu Verspätungen führen). Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ich habe viele Jahre in Japan gelebt und bin quasi täglich mit dem Zug unterwegs gewesen. Bei Thema Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Kundenfreundlichkeit ist man der DB um Welten voraus.

    • Interessanter Beitrag zum Bahnverkehr in Japan. In Deutschland, da stimme ich zu, versuche ich ebenfalls mit möglichst wenigen Umstiegen zu reisen. Das erhöht auf jeden Fall die Fehlerquote und den Unterhaltungswert.

  2. Ich persönlich fahre grundsätzlich gerne Bahn. Was mir am größten missfällt ist das die Durchsagen an Bahnhöfen nicht immer gut verständlich sind. Insbesondere wenn es mehrere parallel gibt. Ja, das ist durch den Aufbau von Bahnhöfen gegeben, aber ich empfinde es dennoch als Problem.

    Teilweise ist die Bahn auch sehr günstig. Von Köln zum Flughafen Amsterdam gibt’s teilweise Tickets ab 30-40 Euro – für zwei Personen.

  3. Tja, das Loblied auf die Bahn und das auf einer Flugseite…
    So ganz kann ich dem Kommentar nicht folgen. Meine Bahnerlebnisse beschränken sich jetzt auf die Zeit vor Corona und wenn die Bahn das Treueprogramm neu erfindet – was soll ich dazu sagen. Jahrelang haben sie für die Sparscheine getrommelt und einem die 1. Klasse empfohlen. War ja auch eine bequeme Art zu reisen und da hat man auch gern den einen oder anderen Taler mehr bezahlt gegenüber der 2. Klasse. Inzwischen wurde die Lounge gestrichen. Ok, machen manche Airlines für sehr günstige BC-Tickets inzwischen auch. Nur bleibt dann nicht mehr viel, was mich zum „Vornesitzen“ bewegen könnte. Höchstens der Einzelsitz mit Lederbezug. Aber sonst? Koffer ist überall inclusive, Verspätung oder Pünktlichkeit auch egal wo man sitzt, die Zeitung gibt es auch nicht mehr, den Film auf meinem Laptop kann ich in den anderen Wagen auch gucken…
    Vielleicht hätte man da einfach mal stärker differenzieren sollen und „Zwischenklassen“ einführen sollen. Super-Spar bleibt draußen und nur die Sparscheine dürfen noch mit rein. Angeblich soll ja der Sparscheinanteil bei der Bahn im hohen zweistelligen Bereich liegen.

    Wo wirklich mal das Bahnfahren in der 2. Klasse ein Traum gewesen, liegt bei mir jetzt acht Jahre zurück. Alexandria (bei Washington DC) nach New York. Das waren vier schöne Bahnfahrtstunden und günstig – wirklich günstig. Wir sind damals bewußt mit der Bahn gefahren, obwohl man das auch in einer Flugstunde machen konnte.

    • Einige Strecken kann man inzwischen gar nicht mehr fliegen, Tendenz steigend.

      Natürlich beschäftigen wir uns in erster Linie mit dem Fliegen. Das bleibt auch so. Zum Reisen gehören auch Hotels oder eben die Bahn- und die wird sicherlich immer eine bedeutendere Rolle spielen.

  4. Mir ist halt unverständlich, warum die Bahn die Verspätungen in heutigen Zeiten nicht richtig kommunizieren kann. Am Bahnsteig stehend sind die 20 min Verspätung schon lange „aufgebraucht“, aber keine neue Info. Leider hab ich seit einigen Wochen den Eindruck, dass das mit den Verspätungen der ICE schlimmer geworden ist, ab Mannheim in den letzen 6 Wochen kein Zug pünktlich gewesen…..Mein Eindruck ist, dass die Bahn mit dem aktuellen Umbau der Infomedien nicht klar kommt.
    Beispiel von gestern: Abfahrt Mannheim Plan 1536h, App sagt 1544h, Lounge Monitor sagt ca 10 min Verspätumg, am Bahnsteig die Anzeige 1541h….tatsächlich 1550h….

  5. Hassliebe trifft es ganz gut. Ich fahre extrem gerne Bahn. Aber im Studium waren die Wochenendheimfahrten so schlimm, dass wir teilweise auf Windeln zurückgreifen mussten: Eine Freundin und ich hatten regelmäßig dieselbe Strecke. Sechs Stunden und immer waren alle(!) Toilette in beiden(!) Zügen geschlossen/defekt. Am Bahnhof fehlte die Zeit dafür, abgesehen davon, dass die Hygiene dort unzumutbar war.
    Dank Sanifair ist das mittlerweile deutlich besser. Und wo es eine Lounge gibt erst recht. Und trotz der früheren Erfahrungen bin ich auch damals schon gerne Bahn gefahren.

    • Wenn Du schon „Studium“ erwähnst …

      Ist schon ein paar Tage her, Winter 1972/73. Als junger heißköpfiger Student hatte ich mich mit dem Zugführer angelegt. Wegen einer Kleinigkeit – einem Oberlichtfenster – das ich offen, der Zugbegleiter geschlossen haben wollte. Jedenfalls fand ich mich dann kurz vor Mitternacht eine Station vor dem Zielbahnhof vor der Tür des abfahrenden Zuges wieder.

      Aber wie die Welt manchmal so ist … am Ende war das eine Belobigung ersten Grades.

      Die Bahnhöfe waren seinerzeit alle noch und um die Uhr mit einem Fahrdienstleiter besetzt. Mit dem konnte man hervorragend reden (und nebenbei lernen, wie Fahrstraßen gesichert werden) und der organisierte dann die Weiterfahrt. Eine Stunde später .. mit einem Güterzug. Platz war natürlich nur auf der Lok und so endete der Streit mit dem Zugbegleiter in einer Führerstandsmitfahrt auf einer Dampflok.
      Bella fantastica!!

      • Ich durfte einmal auf einem einem ICE3 vorne mitfahren. Das Milchglas zwischen „Lounge“ und Fahrerkabine war aktiviert und ich habe nachgefragt, ob er sie klar machen wolle. Er verneinte („Das mache ich grundsätzlich nicht“), lud mich dann aber in seine Kabine ein. War eine angenehme Fahrt quer durch die Nacht. – Übrigens mit wunderbar funktionierenden Toiletten, soweit ich mich erinnere.

  6. Interessant den Text nun nach weniger als einem Jahr wieder zu lesen.
    So hieß es im Mai 2022: „Die Bahn beziffert die Pünktlichkeitsquote bei über 90%… Im Fernverkehr erreichen etwa 82% der Züge den Zielbahnhof pünktlich.“ Mittlerweile hat sich gezeigt, dass die Quote im Fernverkehr in der Jahressumme 2022 auf 65 % gefallen ist.

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