EU-Fluggastrechte: Entschädigungen zukünftig erst ab 12 Stunden Verspätung?

Boarding über die Flugzeugtreppe. Für Rollstuhlfahrer ein zusätzliches Hindernis. Archivfoto: Frankfurtflyer

Geht es nach einem Vorschlag, über den die EU derzeit berät, erhalten viele Fluggäste zukünftig bei Verspätungen keine Entschädigungen mehr. Die EU Mitgliedsländer diskutieren derzeit über einen Vorschlag, nach dem der Entschädigungsanspruch erst nach erheblich längeren Verspätungen fällig wird. Statt wie bisher nach drei Stunden könnten Fluggäste zum Teil erst nach zwölf Stunden Verspätung entschädigt werden.

EU261 Fluggastrechte: Entschädigungszahlungen zukünftig erst ab 12 Stunden Verspätung? | Novellierung der EU-Fluggastrechte

Der NovelIierungsvorschlag der EU ist schon älter, doch die Diskussion um Entschädigungsansprüche für Fluggäste hat nun wieder Fahrt aufgenommen. In dem Vorschlag, der derzeit von den EU-Ländern diskutiert wird, sollen Entschädigungszahlungen nicht mehr pauschal nach drei Stunden fällig werden. Stattdessen wird auch hier die Flugdistanz entscheidend sein:

  • bis 3.500 Kilometer = Entschädigungsanspruch ab 5 Stunden
  • zwischen 3.501 und 6.000 Kilometern = Entschädigungsanspruch ab 9 Stunden
  • über 6.000 Kilometer= Entschädigungsanspruch ab 12 Stunden

Laut einem Bericht von WAZ.de laufen Verbraucherschützer schon jetzt Sturm gegen die Verschlechterung der Rechte für Flugreisende. Man befürchte, dass sich der Anreiz zur Pünktlichkeit negativ entwickle. Auch im EU-Parlament gibt es mittlerweile erste Stimmen gegen die Novellierung der EU261-Verordnung.

EU261 Fluggastrechte: Entschädigungszahlungen zukünftig erst ab 12 Stunden Verspätung? | Was verbirgt sich hinter der EU261-Verordnung

Die Verordnung EG Nr. 261/2004 oder einfacher Fluggastrechte-Verordnung soll Reisende vor Beeinträchtigungen im Flugverkehr schützen. Seit 2005 regelt die Verordnung Entschädigungen für sämtliche Flüge, die in der EU angetreten werden. Ebenso gilt die Verordnung für Flüge, die von einer Fluggesellschaft mit Sitz in der EU, in anderen EWR-Mitgliedstaaten wie Island und Norwegen oder in der Schweiz durchgeführt werden und einen Flughafen in der EU als Ziel haben.

Geregelt sind Entschädigungszahlungen oder Sachleistungen bei Nichtbeförderung, Annullierung und längeren Verspätungen. Als längere Verspätung wird derzeit noch eine Verspätung von mindestens drei Stunden am finalen Zielort angesetzt. Je nach Distanz können bis zu 600 Euro Entschädigungszahlung eingefordert werden. Bei Nichtbeförderung können Fluggäste auf Umbuchung oder Erstattung des Ticketpreises beharren. Zusätzlich müssen Fluggesellschaften beispielsweise für Verpflegung oder Kommunikationskosten aufkommen.

EU261 Fluggastrechte: Entschädigungszahlungen zukünftig erst ab 12 Stunden Verspätung? | Frankfurtflyer Kommentar

Für Fluggesellschaften sind die aktuellen Fluggastrechte der absolute Wahnsinn. In 2018 fielen 16,5 Millionen Fluggäste unter die EU261-Verordnung. Nehmen wir mal die kleine Entschädigungszahlung von 250 Euro an, sprechen wir hier über ein Potential von über 4 Milliarden Euro. Natürlich erstreitet nicht jeder Fluggast sein recht, doch Portale wie flightright.de machen es immer einfacher, die eigenen Forderungen durchzusetzen.

Natürlich können wir als Fluggäste erwarten, dass wir pünktlich am Ziel ankommen. Das Spekulieren um Flugverspätungen ist in einer – zum Glück – kleinen Gruppen aber mittlerweile zum Sport geworden. 99 Cent Tickets in der Hoffnung auf einen Flugausfall oder eine Verspätung buchen und 250 Euro kassieren, ist heute schon Realität.

Deswegen muss dringend an den Fluggastrechten gearbeitet werden. Diese Variante ist aber auf jeden Fall der falsche Weg, denn gerade auf einem Langstreckenflug tun Verspätungen häufig richtig weh. Hier die Fluggesellschaft erst nach zwölf Stunden in die Pflicht zu nehmen, kann nicht die Lösung sein. Irgendwie sieht der Vorschlag nach 1A Lobby-Arbeit der Fluggesellschaften aus.

Danke für den Hinweis WAZ.de

9 Kommentare

  1. Meiner Meinung nach auch der falsche Weg. Viel mehr sollte man einen Ansatz wählen, bei dem der Kaufpreis in Betracht gezogen wird. Selbst als Verbraucher finde ich es irrsinnig 600 Euro zu bekommen, wenn ich zb nur 300 Euro für das Ticket bezahlt habe.

    Wenn höhere Mehrkosten entstanden sind, muss man das nachweisen.

  2. Das ist schon klar warum. Seitdem sogar ein Hund die Entschädigung bekommen hat, laufen die Airlines Sturm dagegen. Da sie aber sowieso nur zahlen müssen, wenn die Verspätung in ihrer eigenen Hand liegt, kann ich hier kein Mitleid haben.
    Mal ein anderes Beispiel. Der Gatwick Express entschädigt mich gerade für 45 Minuten Verspätung mit 50 Prozent des Fahrpreises. Und die Verspätung war nicht ma deren Schuld, sondern es waren Leute im Gleis. Da war ich echt überrascht.

  3. purer Lobbyismus – ich verstehe ehrlich gesagt nicht, das User hier die Airlines verteidigen?

    Von 100% Berechtigten werden durch das Abwimmeln der allermeisten Airlines bestimmt 70% aufgeben, die restlichen 30% klagen die Rechte ein – dann wird meist bezahlt. 10% werden per Beschluss entschieden.

    Die Lobbyfraktion stellt das so dar, als würden die Arilines wegen der EU-compensation demnächst zu Grunde gehen!

    • So verbissen sehe ich das nicht. Im Prinzip handelt es sich hier um eine Kaskoversicherung und wir diskutieren über die Höhe der Selbstbeteiligung. Die von den Fluggesellschaften ausgezahlten Beträge werden ja letztlich über die Ticketpreise wieder eingenommen. Woher sonst?
      Natürlich fördern die Zahlungen bei Verspätung den Wettbewerb. Eine pünktliche Gesellschaft muss weniger umlegen und kann entsprechend günstigere Tickets anbieten.
      Für meine Begriffe ist dieser Wettbewerbsaspekt wichtiger als die Höhe der Zahlung im Einzelfall. 300€ nützen mir im Zweifelsfall auch wenig, wenn durch die Verspätung der nur einmal wöchentlich verkehrende Anschluss weg ist (Sohnemann ist kürzlich nach Caracas gereist und da hätte eine Verspätung MUC-CDG drei Tage Folgeverspätung nach sich gezogen) .

  4. Ja, mögliche Erstattung und Flugpreis stehen sicherlich oft nicht im Verhältnis. Aber die Strafe soll ja auch weh tun – 25% eines Tickets (ohne steuern und Gebühren am besten) wie bei der Bahn als Entschädigung sind vermutlich kein sonderlich wirksamer Hebel. Man darf umkehrt ja nicht vergessen, dass die Fluggesellschaften absonderlicherweise durchaus das Recht haben Flüge die sie im Flugplan lange vorab veröffentlicht und verkauft haben, recht kurzfristig ohne jeden Grund einfach canceln oder stark umdisponieren dürfen. Ist so sicherlich auch nicht korrekt.

  5. Mein Vorschlag fuer Entschaedigungen bei Verspaetungen groesser 2h, unabhaengig von der streckenlaenge:

    First Class Passagiere: 33% vom Flugpreis + 5 * x * Stundensatz

    Business Class Passagiere: 25% vom Flugpreis + 3 * x * Stundensatz

    Premium Economy Passagiere: 15% vom Flugpreis + 1,5 * x * Stundensatz

    Economy Passagiere: 10% vom Flugpreis + x * Stundensatz

    x = Verspaetung in Stunden, gerundet auf Viertel (z.B. 2h, 2,25h, 2,5h, 2,75h)

    Stundensatz = hoechster gesetzlicher Mindestlohn der in einem europaeischen Land gilt (aktuell 12,38 Euro).

    So wuerde man zum einen die Fluggesellschaften fair bestrafen (Verspaetung lohnt sich nicht, aber 10 Euro Tickets haben auch keinen Anspruch auf 60-fachen Ticketpreis als Entschaedigung), aber auch die Kunden fair entschaedigen (teure Tickets=mehr Entschaedigung).

    Und die Entschaedigungen wuerden nicht mehr weginflationiert werden (bei 2%-Inflation wie von der EZB gewuenscht, muessten die festen Entschaedigungen dank Zinseszins heute eigentlich 35% hoeher sein als 2005).

    • Vor Jahren (ich glaube 2005) haben wir QR einmal eine 15stündige Verspätung so ähnlich in Rechnung gestellt. Die Gesamtkosten einer Reise nach Nepal durch die Anzahl der Stunden dividiert, das Ganze mal 15. Qatar hat auf den Cent gezahlt.

  6. Es ist völlig irrelevant, was das ursprüngliche Ticket gekostet hat, bzw. in welcher Klasse es gebucht ist! Die Entschädigung sehe ich als Versicherung, um mir bei Anschluss mit separatem (nicht flexiblem) Ticket einen neuen teuren Anschluss buchen zu können und nicht vollständig auf den Kosten sitzen zu bleiben. Und deshalb ist die Höhe der Entschädigungszahlung selbst bei 50 Euro Flügen absolut gerechtfertigt. Was hilft mir hier eine Entschädigung von beispielsweise nur 50 oder 100 Euro? Ausserdem habe ich die Erfahrung gemacht, daß es je nach Airline wochenlangen Aufwand bedeutet, um die Zahlung zu erhalten.

  7. Hallo,
    Ich finde die Regelung so wie sie ist auch gut!
    Wenn ich 600 Euro für ein 300 Euro Ticket in mein wohlverdienten Urlaub bezahle dann ein verspäteten Flug oder sogar Ausfall habe dann z.b mitten in der Nacht oder gar am nächsten Tag ankomme sind die weiteren 300 für die verlorene Urlaubszeit und den Stress mehr als gerecht !

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