Review: Aer Lingus Premium Economy

Fast unbemerkt hat die zweitgrößte Airline Irlands im Oktober 2019 ein neues Produkt eingeführt: die innereuropäische Premium Economy. Damit unterscheidet sie sich von ihrer irischen Konkurrenz, die nur Economy anbietet und vielen anderen europäischen Airlines, die neben einer Economy Class noch eine Alibi-Business Class anbieten. Ich war sehr gespannt zu erfahren, wie sich dazwischen noch eine Premium Economy einfinden kann und was diese dann bietet.

 

Aer Lingus Premium Economy | Produkt

Aer Lingus bietet auf [ausgewählten?] Strecken eine Premium Economy an. Diese umfasst immer nur vier Sitzplätze, die sich in Reihe 1 des Flugzeugs befinden. Neben der garantierten Ego-Bestätigung in Reihe 1 zu fliegen, bietet die Premium Economy von Aer Lingus noch folgende Vorteile im Vergleich zur Economy Class bei der Airline:

  • Loungezugang: An Standorten, an denen Aer Lingus eine eigene Lounge betreibt (also innereuropäisch Dublin und London?) erhält man kostenfreien Zutritt.
  • Nutzung der Fast Lane an der Sicherheitskontrolle am Flughafen Dublin.
  • Man darf am gebuchten Flugtag kostenfrei auf andere Flüge des Tages auf derselben Strecke umbuchen. Hört sich toll an, hat aber ein paar klitzekleine Pferdefüßchen. Erstens: Es gibt nur vier Plätze in der Premium Economy. Wenn die schon gebucht sind gibt es keine verfügbaren Plätze mehr auf dem anderen Flieger. Dann hat man Pech und kann nicht umbuchen. Zweitens: Aer Lingus fliegt viele Strecken gar nicht mal so oft. Viele werden tatsächlich nur einmal am Tag bedient. Auch bei denen, die zweimal geflogen werden, wie z.B. Dublin-Frankfurt, liegen die Flugzeiten so weit auseinander, dass sich der eigene Zeitplan schon massiv verschieben muss, bevor man die Umbuchungsoption sinnvoll ziehen kann.
  • Die Mitnahme von Aufgabegepäck ist inklusive. Schön, wenn man es braucht.
  • Man erhält garantierten Platz in den Overhead Bins. Es gibt nämlich extra markierte Bins für Premium Economy Gäste.
  • Ein gratis Getränk und einen Gratissnack an Bord.
  • Einen freien Mittelsitz. (Bei wem haben sie das wohl abgeguckt?)

Ausgestattet mit dem bunten Blumenstrauß an Vorteilen machte ich mich auf den Weg zum Flughafen, fest entschlossen, alle (außer Aufgabegepäck) in Anspruch zu nehmen. Besonders freute ich mich auf den Gratissnack, denn ich erwartete ein Tütchen Chips oder Erdnüsse und eine Dose Cola.

Review: Aer Lingus Premium Economy – Essen vom Vorgänger

Aer Lingus Premium Economy | Fast Lane

Der Eingang zur Fast Lane macht in Dublin schon was her. Ein holzveräfelter Tresen und eine strenge Ticketkontrolle machen jedem klar: hier dürfen nur die VIP rein, hier geht’s schnell. Nach dem bombastischen Eingang verkümmert die Fast Lane ein wenig. Ein ca. 50cm breiter, mit Kordeln abgesperrter Durchgang führt zu einer eigenen Band an der Sicherheitskontrolle. Je nachdem, wie viele VIP unterwegs sind, kann es aber hier auch recht lange dauern. Von außen sieht man das allerdings nicht, erst wenn man in der Schlange steht merkt man es.

Aer Lingus Premium Economy | Boarding

Der Flug nach Frankfurt ging nicht von Terminal 1, sondern von Terminal 2. In der Lounge war der Fußweg mit 5 Minuten angegeben. Schafft man auch, allerdings nur wenn man a) sportlich ist und b) das Meer an anderen Reisenden und Duty Free Artikeln teilen kann wie einst Moses das Meer.

Ich erreichte das Gate 5 Minuten nach dem ausgewiesenen Beginn des Boardings und fand es leer vor. Trotzdem ging ich schnell zum Tresen, zeigte meine Bordkarte vor. Dort wurde mir gesagt, dass man früher starten wollte und deswegen schon alle Passagiere an Bord gelassen habe. Super, dachte ich, Premium Economy bringt Dich schneller nach Hause.

Am Ende der Einstiegsbrücke trafen mich strafende Blicke aus zwei Augenpaaren – die Flugbegleiterinnen. Ich dachte mir halb scherzhaft: „Bitte nicht so streng gucken, ich fliege schließlich Premium Economy. Da darf ich doch wohl auch als letzter boarden wenn ich es denn will.“

Kaum an Bord fragte ich, ob ich tatsächlich der letzte Passagier sei, worauf man mich anblickte als sei ich von einem anderen Stern. Die Antwort lautete schlicht: „Da haben wir keinen Überblick.“

An dieser Stelle ahnte ich, was aus dem frühen Abflug werden würde…

Sichtlich genervt sahen die Damen dann zu, wie ich das kontinentale Premiumprodukt der Airline unter die Lupe nahm.

 

Aer Lingus Premium Economy | Sitz

Bekäme ich die Chance, würde ich mich gerne einmal mit den Personen unterhalten, die sich ausgedacht haben, diese Sitze als „Premium“ zu vermarkten. Am besten, nachdem sie selbst dort gesessen haben. Aber der Reihe nach.

Reihe 1 ist nicht automatisch das Nonplusultra. Beileibe nicht. Bei Aer Lingus hat die ersten Reihe folgende „Features“: Direkt davor ist die Trennwand zur Galley. Wer gerne weiße Wände anstarrt kommt hier garantiert auf seine Kosten. Weil hinter der Trennwand die Galley ist, hat ist die Wand auch bodentief, d.h. nach vorne ist für die Füße großer Menschen gar nicht einmal so viel Platz.

An der Wand befinden sich dann drei Netztaschen, um die Sicherheitskarte, das Bordmagazin und einen Duty Free Prospekt zu halten. Stauraum Fehlanzeige. Im Fußraum darf man bei Start und Landung auch nichts haben. Daher muss alles in die Overhead Bin. Wie gut, dass der Platz da reserviert ist. Auf meinem Flug war die Reihe hinter mir übrigens frei, da habe ich dann ein kleines Täschchen in den Fußraum der Reihe hinter mir gelegt. Aber denkste. Das missfiel den Damen von vorne sogleich und ich wurde zurechtgewiesen, dass Passagiere in Reihe 1 nichts im Fußraum ablegen dürfen. Auch nicht, wenn sie dafür den freien Fußraum der Reihe 2 nutzen. Ist klar. Es gibt halt Regeln.

Ansonsten ist der Sitz besser gepolstert als die beiden Sitzvarianten die die Lufthansa gegenwärtig durch Europa fliegt. Sogar die Kopfstütze ist verstellbar.

Der „Tisch“ befindet sich in den Armlehnen. Das bedeutet, dass so ziemlich jeder stinknormale Eco Sitz breiter ist, als der Sitz der Premium Eco.

Wo Aer Lingus allerdings recht hat, ist die Beinfreiheit. Die ist in der Premium Economy tatsächlich größer, allerdings nur, wenn man nicht die Fußfreiheit mit einrechnet. Die ist in der Premium Economy nämlich geringer.

Übrigens darf man als Passagier der Premium Economy nur die Premium Economy Plätze auswählen. Selbst ein Voluntary Downgrade ist beim online Checkin nicht möglich.

Review: Aer Lingus Premium Economy | Service und Entertainment

Auf dem Boden lagen noch eine Serviette und Erdnüsse von einem (oder mehreren?) der vorangegangenen Flüge. Entsprechend sah ich mich bestätigt und freute mich immer mehr auf meine Erdnüsse oder Chips. Aber, in der Beschreibung der Premium Economy stand doch etwas vom „Bordmenü“. Und ich begann an meiner Theorie zu zweifeln. Vielleicht gibt es doch mehr als nur einen Minisnack.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Für mich hatte die Suche nach dem Bordmenü schon Unterhaltungswert. Ich fand es zunächst nicht, bis ich das Bordmagazin durchblätterte und feststellte, dass das Menü der hintere Bereich des Bordmagazins ist. Wenn man es dann noch um 180° dreht, ist alles in Butter. Da mein Ticket ja ein Getränk und einen „Snack“ vom Bordmenü beinhaltete erdreistete ich mich zu Beginn des Service bei den Flugbegleiterinnen nachzufragen, aus welchen Snacks ich denn auswählen dürfte. Die Dame verdrehte die Augen und keifte mir ein „egal was“ entgegen. Mit der nächsten Aktion machte ich mich endgültig zum Feind in Reihe 1: ich bat um einen Augenblick, um das Bordmenü zu studieren und mich dann zu entscheiden. Man schüttelte mit dem Kopf, während man noch ein knappes „Sicherlich“ rauspresste.

Ich entschied mich für einen vegetarischen Wrap und ein alkoholfreies Bier. Auch das verbesserte die Beziehung zu den Flugbegleiterinnen nicht, denn auch nach 5 Minuten intensiver Suche, war kein alkoholfreies Bier in der vorderen Galley verfügbar. In der hinteren Galley nachzufragen fand man wohl überflüssig und man bot mir kurzerhand ein Bier mit Alkohol an. Ich entschied mich dann für einen Cider.

Kurz darauf wurde mein Wrap aus der hinteren Galley nach vorne gebracht. Sah toll aus. Aer Lingus sollte eine Eisdiele aufmachen, denn der Wrap war praktisch noch tiefgefroren. Aber wenn man ein bisschen drauf herumkaut wird’s ja warm. Schlecht geschmeckt hat’s nicht, aber das Premiumgefühl wollte sich nicht so recht einstellen.

Bei einem Entertainmentpunkt bin ich mir nicht sicher, ob er bei jedem Flug angeboten wird: meine Flugbegleiterinnen tauschten sich zunächst intensiv über ihre Dienstbekleidung aus, bevor sie begann diese untereinander auszutauschen.

Review: Aer Lingus Premium Economy – Modenschau

Der Rest des Flugs verlief vorkommnis- und servicefrei.

 

Aer Lingus Premium Economy | Frankfurtflyer Kommentar

Zum Glück heißt das Produkt nicht Business Class, denn ab dem Zeitpunkt hätte Lufthansa innereuropäisch eine bessere Business Class als Aer Lingus.

Aus meiner Sicht sind folgende Dinge „Premium“: Fast Track in Dublin und der Loungezugang. Den hat man in Dublin mit dem Priority Pass jedoch in anderen Lounges auch.

Weder Sitz, Service oder Catering/Entertainment machen das Erlebnis zu einer Premiumerfahrung.

6 Kommentare

  1. Naja, die Bezeichnung des Produkts ist eindeutig ehrlicher als das, was LH und Co in Europa anbieten. Und was die geschilderten „Mängel“ angeht, die kenne ich (bis auf das Essen) alle auch aus der Business Class einer namhaften deutschen Airline, sogar auf der Langstrecke. Von daher finde ich den Artijel etwas zu streng 🤔

  2. Das klingt echt nicht berauschend. Premium Economy auf EU Strecken klingt für mich aber grundsätzlich nach einer interessanten alternative zu C. Lounge Zugang, fast track, reservierte Overhead bins..

  3. Wenn es weniger als die Kurzstrecken C kostet, ist es doch gut. Sehe dazwischen keinen großen Unterschied. Das der Service schlecht war ist ärgerlich, aber ja hoffentlich nicht der Standard beim Kleeblatt

  4. Ich musste gerade herzhaft lachen. Du musst die erstmal als Business Ticket fliegen, da hast du noch Glück gehabt. Ich hatte ein EI Ticket über DUB in die USA und der Zubringer bot genau nix. Die Sache mit der Lounge in DUB kommt noch dazu. Lounge Hopping z.B. ist nicht statthaft. Und das Personal war auch so unfreundlich. Unglaublich war das. Kein Vergleich zur Langstrecke. Das war wirklich wie Tag und Nacht. Als wenn es zwei Airlines waren.

    • Hi Betty,
      ich habe Deinen Bericht über die EI C gelesen. Ich würde das Produkt gerne mal testen, brauche nur noch Anlass und Gelegenheit.
      Viele Grüße

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.