Woche der Entscheidung für Lufthansa | Carsten Spohr richtet sich mit emotionalem Brief an die Mitarbeiter

Foto: Lufthansa

Für den Lufthansa Konzern steht nun endgültig die Woche der Entscheidung an. Lange wurde mit der Bundesregierung um einen Deal über ein Rettungspaket gerungen. Der deutsche Staat ist dazu bereit, 9 Mrd. Euro in die Rettung der größten europäischen Fluggesellschaft zu investieren. Doch der Deal gerät wegen Großaktionär Thiele und der geringen Aktionärspräsenz bei der Hauptversammlung ins Wanken.

Eine allerletzte Hürde stand noch vor der Rettung der Lufthansa und damit von bis zu 138.000 Arbeitsplätzen: Die Zustimmung der Aktionäre auf der Hauptversammlung am Donnerstag (25. Juni 2020). Doch bereits ein erstes Fragezeichen entstand vor Kurzem als der Münchener Unternehmer Heinz Hermann Thiele seinen Aktien-Anteil auf über 15% aufstockte und seinen Unmut über den Deal mit der Bundesregierung bekannt gab.

Nun ist am Sonntag (21. Juni 2020) bekannt geworden, dass die Situation noch bedrohlicher ist, als erwartet. Zur Hauptversammlung am Donnerstag wurde nur 38% des Kapitals angemeldet. Damit ist klar, dass eine 2/3-Mehrheit notwendig ist, um das Rettungspaket durchzudrücken.

Nach Informationen des Handelsblatt soll es noch am Montag (22. Juni 2020) ein klärendes Gespräch geben. Großaktionär Thiele soll dann auf Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und wohl auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr treffen. Doch viele Parameter des Rettungspaketes scheinen nicht verhandelbar.

Woche der Entscheidung für Lufthansa | Lufthansa bereitet sich vor

Lufthansa CEO nahm diese Erkenntnis zum Anlass, sich in einem emotionalen Brief an die Mitarbeiter zu wenden. Spohr weist darauf hin, dass auf Grund der aktuellen Gegebenheiten eine Zustimmung, insbesondere zu den Bedingungen der Kapitalerhöhungen, nicht sicher erscheint.

Die Konzernspitze stellt sich dabei auch auf das Worst-Case-Szenario ein. Man habe Vorbereitungen getroffen, um ein Grounding zu verhindern. Außerdem würde man die Zeit bis zur Insolvenzanmeldung nutzen, um mit der Bundesregierung alternative Optionen zu besprechen.

Auch bei den Gehaltszahlungen für die Mitarbeiter wurden Vorkehrungen getroffen. Normalerweise wären die Juni-Gehälter erst nach der Hauptversammlung ausgezahlt worden. Da diese jedoch mit zu vielen Unsicherheiten behaftet sei, würden die Gehälter der Lufthanseaten bereits am Montag (22. Juni 2020) angewiesen.

Lufthansa CEO Spohr setzt die Prioritäten wie folgt:

  1. Insolvenz vermeiden
  2. Möglichst viele Kolleginnen und Kollegen an Bord halten
  3. Die globale Zukunftsfähigkeit sichern

Woche der Entscheidung für Lufthansa | Der Brief an die Mitarbeiter im Wortlaut

Der Brief des Lufthansa CEO Carsten Spohr an die Beschäftigten der Lufthansa Gruppe liegt der Frankfurtflyer Redaktion, dank Lufthansa Mitarbeitern, vor. Hier lest Ihr den Brief im Wortlaut:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Lufthanseatinnen und liebe Lufthanseaten,

wir alle stehen am heutigen Sonntag vor einer Schicksalswoche für unsere Lufthansa. 65 Jahre nach unserem Neustart im Jahre 1955 und unzähligen gemeinsam erfolgreich bewältigten Krisen geht es in diesen Tagen um nichts weniger, als um die Zukunft unseres Unternehmens.

Am Donnerstag wird die Hauptversammlung über die Annahme des Stabilisierungspakets der Deutschen Bundesregierung entscheiden. Seit heute Nacht wissen wir, dass unsere Aktionäre weniger als 38 Prozent des Kapitals für diese Hauptversammlung angemeldet haben. Damit steht fest, dass bei der Abstimmung eine Zweidrittelmehrheit erreicht werden muss, die nach jüngsten Äußerungen von wichtigen Aktionären insbesondere zu den Konditionen der Kapitalerhöhung nicht sicher erscheint.

Ich bin mir sehr bewusst, dass die Ereignisse der letzten Wochen und die aktuelle Situation viele von Ihnen mit großer Sorge erfüllt. Daher möchte ich Ihnen heute nochmals nachdrücklich versichern, dass wir auch an diesem Wochenende und in den nächsten Tagen weiterhin im engen Austausch und stetigen Dialog mit der Bundesregierung und unseren größten Aktionären stehen.

Dieses mit dem klaren Ziel, noch vor Donnerstag eine zufriedenstellende Lösung für unser Unternehmen und alle Beteiligten zu erreichen. Ich bin sicher, dass alle beteiligten Parteien dieses Ziel vereint. Denn unsere Aktionäre, unsere Kunden, die Politik, die Öffentlichkeit und natürlich niemand mehr als wir Lufthanseaten wissen um die Einzigartigkeit der Lufthansa Group und kämpfen daher gemeinsam für ihre Zukunft.

Für den Fall, dass die Hauptversammlung keine Zustimmung für die Stabilisierungsmaßnahmen des Bundes erteilt, haben wir umfangreiche Vorbereitungen getroffen, unter anderem, um ein Grounding zu verhindern. Auch würden wir die verbleibenden Zeit bis zur Anmeldung einer Insolvenz nutzen, um mit der Bundesregierung Optionen zu besprechen.

Unser Ziel im Vorstand bleibt selbstverständlich, eine Insolvenz mit all ihren Folgen zu vermeiden. Wir tragen und spüren gerade in diesen Tagen die Verantwortung für Sie – unsere 138.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der ganzen Welt.

In diesem Sinne versuchen wir gemeinsam mit den Gewerkschaften in diesen Stunden Lösungen zu finden, die uns in Kombination mit den Stabilisierungsmaßnahmen der Regierungen erlauben, die nächsten Jahre der Krise finanziell zu bewältigen.

Um Ihnen und Ihren Familien in diesen bangen Wochen eine weitere Unsicherheit zu ersparen, haben wir am Wochenende im Vorstand entschieden, erstmalig in der Lufthansa Geschichte, die Auszahlung von Vergütungen vorzuziehen und die Junigehälter schon morgen, am Montag dem, 22. Juni anzuweisen.

Wir möchten damit für Sie alle einen ungestörten Gehaltszahlungslauf gewährleisten, der im regulären Verfahren zeitlich auf den Tag nach der außerordentlichen Hauptversammlung mit allen potenziellen Unwägbarkeiten gefallen wäre. Wie sicherlich jeden von Ihnen, schmerzt es auch mich zutiefst, dass wir nach den drei erfolgreichsten Jahren unserer Unternehmensgeschichte unverschuldet in diese nur schwer zu ertragende, einzigartige Krise geraten sind.

Für mich persönlich bleiben dabei die obersten Ziele unverändert diejenigen, die ich seit Beginn dieser Krise Ihnen gegenüber als unsere erste Priorität definiert habe:
1) Insolvenz vermeiden
2) Möglichst viele Kolleginnen und Kollegen an Bord halten
3) Unsere globale Zukunftsfähigkeit sichern

Ich gehe mit der festen Grundüberzeugung und der tiefen Zuversicht in die vor uns liegende Woche der Entscheidungen, dass unser großartiges Unternehmen mit seinen einzigartigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in jedem denkbaren Ausgang auch weiterhin global erfolgreich sein wird. Wir werden zusammenstehen, Solidarität üben und gemeinsam für unsere Zukunft kämpfen müssen. Aber wir werden unsere Lufthansa auch durch diese Krise hinweg in eine erfolgreiche Zukunft führen.

Bleiben Sie gesund,
Ihr
Carsten Spohr

Woche der Entscheidung für Lufthansa | Frankfurtflyer Kommentar

Mitarbeiter, Kunden, Aktionäre… Alle schauen gebannt auf die Hauptversammlung. Die gesamte Lufthansa-Rettung entwickelt sich wie eine Never-Ending-Story. Wer hätte auch im Vorfeld damit gerechnet, dass sich ein Großaktionär gegen das Rettungspaket stellt. Und das sogar noch auf dem Weg, indem er sein Aktienpaket noch vergrößert.

Die Frage ist, ob Thiele auf der Hauptversammlung wirklich gegen das Hilfspaket stimmt oder ob im Vorfeld eine Einigung mit ihm erzielt wir. Die bestehenden Konditionen schienen jedoch kaum noch verhandelbar. Und falls keine Einigung erzielt wird, welches Interesse hat Thiele an der Insolvenz? Wie kann er als Großaktionär profitieren?

Quelle: handelsblatt.com

10 Kommentare

  1. Vielleicht geht es der Spohr auch hauptsächlich um sein Gehalt und seine Position denn die loyalsten Kunden die Hon sind sowieso schon auf dem Wege zu anderen Fluggesellschaften, auch ohne Krise. Denn mit einem teuren Produkt, schlechte Qualität und immer wieder verschobene Einführung der notwendigen Businessklasse welche mittlerweile eine der schlechtesten in Europa ist oder gar weltweit und immer weniger Service, wird es Zeit dass ich bald mal was ändert.

  2. Nehmen wir mal die immer noch nicht reparierte Glaskugel in die Hand…

    Am Ende der Woche steht der Plan die Insolvenz durchzuziehen, umgesetzt wird das ab Anfang Juli.

    Alle nennenswerten Fluggesellschaften dieser Welt nutzen dieses Signal, um Gleiches zu tun.
    Alle liebäugeln mit der Insolvenz in Eigenregie und niemand traut sich wegen der Imageproblematik. Das wird aber hinfällig, wenn Alle gleich handeln.

    Mal sehen, wie groß der Schaden an der Glaskugel tatsächlich ist…

    • Das Problem ist, auch wenn alle Airlines in Insolvenz gehen würden und damit alle den gleichen Image Schaden hätten, bleibt immer noch der Vertrauensverlust in die Industrie. Hier kann man nur spekulieren wie tief dieses Trauma sitzen würde. Zumindest einzelne Airlines hatten auch mit der Nachfolgegesellschaft immer noch auch zehn Jahre später mit dem Image Schaden zu kämpfen.

      Ich denke eine Vertrauensverlust in die gesamte Branche wäre der GAU und würde eine Stabilisierung der Airline Branche deutlich verzögern.

  3. eine Insolvenz macht für Thiele absolut keinen Sinn. Er verfügt über ein Vermögen von ca. 13-15 Mrd Euro. Das meiste davon in Aktien von Knorr-Bremse. Allerdings hat er gerade 750 Mio locker gemacht. LH ist nicht von jetzt auf gleich Zahlungsunfähig und überschuldet schon gar nicht, denn der Buchwert liegt beim doppelten des Aktienkurses. Nur sind die meisten Mittel halt in Flugzeugen gebunden. Was spricht dagegen, das Thiele ablehnt und versucht in harten Verhandlungen die Bundesregierung zu einem einfachen Kredit zu bewegen indem er z.B. selbst noch 3 Mrd. als Kredit einschießt und 750 Mio für neue Aktien als Eigenkapital. Der Mann könnte theoretisch die ganze LH kaufen, die derzeit eh nur ca. 4 Mrd. wert ist. Das Spiel bietet weit mehr Optionen als die Insolvenz, gerade wenn man über solche Mitte verfügt wie Thiele.

    • 750 Millionen als Liquide Mittel werden vermutlich nicht reichen um das Grounding zu vermeiden. Da werden Milliarden Garantieren her müssen. Auch wenn die Aktion von Thiele 13-15 Milliarden wert sind, wird er diese nicht in sehr kurzer Zeit Liquidieren können und wollen, zumindest nicht komplett. Damit würde er auch die Knorr Bremsen komplett aufgeben und wenn man dort sieht wie wichtig ihm sein Einfluss ist, halte ich das für ausgeschlossen.

      Ich kann mir nicht vorstellen, dass Thiele wirklich das Risiko einer Übernahme eingehen will, zumal er deutlich mehr als 4 Milliarden für die Aktien zahlen müsste. Sollte er mehr als 30% der Aktien halten, dann muss er allen Aktionären ein Übernahmeangebot machen und der Preis wird sich hier sicherlich mehr als verdoppeln pro Aktie. Also das gesamte Vermögen einsetzen um eine Airline in der schwersten und unsicheren Krise zu kaufen?

      Die Vermögenswerte sind aber ein interessanter Punkte. Bei einer Zerschlagungn könnte eine Rendite für Thiele herausspringen.

      • mit 79 gehts Dir nicht mehr um Geld. Da hast Du höhere weitblickendere Ziele. Eine Zerschlagung wird nicht in seinem Interesse sein. Das wäre unlogisch. Und ich frage mich auf der anderen Seite warum IAG so deutlich besser darstellt als LH. Etwa zu viel Dividende die letzen Jahre gezahlt?
        Thiele ist ein harter Hund und exzellenter Geschäftsmann. Das wird holpern aber er wird die LH als ganzes haben wollen und wird Zugeständnisse bekommen. Spätestens wenn dann Donnerstag die Angst vor der Insolvenz im Raum liegt. Dann kann er die nächste Karte aus dem Ärmel ziehen. Bin gespannt.

  4. Zumindest müsste er dann nicht mehr die Nachfolge bei Knorr regeln, da in den letzten Jahren alle potentiellen Nachfolger ziemlich bald wieder selbst gegangen sind oder von ihm vom Hof gejagt wurden. Polemik beiseite: in Hinblick auf die soziale Verantwortung kann ich mir nicht vorstellen, dass er dieses hara kiri durchzieht und alles auf LH setzt. Warum auch.
    Die Einigung wird kommen am Donnerstag. Dazu ist LH dann doch zu systemrelevant, irgendwie.
    Ob die Kabinen, die Statusänderungen oder sonst was gut oder schlecht waren, sei ebenfalls außen vor gelassen, hat bei dieser Bewegung weniger was zu suchen

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